Ärzte diskutieren Pro und Contra
Ist Vitamin D bei gezieltem Einsatz auch vorsorglich, also präventiv wirksam?
Sollen alle Ärzte Vitamin D rezeptieren, um ihre Patienten zu schützen?
1) Die Berufsordnung formuliert das gemeinsame Ziel der Ärzteschaft:
Es gehört also zu den obersten Zielen der Ärzteschaft, sich auch um die natürlichen Lebensgrundlagen der Bevölkerung zu bemühen.
Der konkrete Anstoß zur Diskussion:
Eine Klinik schrieb bei der Entlassung ihres Patienten:
"Unsere Laborwerte haben ergeben, dass ein erheblicher Vitamin-D-Mangel vorliegt. Wegen der Einbindung von Vitamin D in die Entstehung von
- Herzinfarkt,
- Coronarsklerose, (Verkalkung der Adern für den Herzmuskel)
- arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) und
- Hypertrophie (krankhafte Wandverdickung) des Herzmuskels
substituieren (ergänzen) wir systematisch Vitamin D. Wir weisen darauf hin, dass der Vitamin-D-Spiegel nach 2 Monaten kontrolliert werden sollte. Wir haben dieses ganzheitliche Vorgehen gewählt, um dem Patienten zu nutzen."
Diese Therapie-Empfehlung der Klinik wurde zum Gegenstand der folgenden Diskussion.
Der Hintergrund der Diskussion - die Vitamin D-Therapie:
Es ist zum einen unstrittig, dass ein schwerer Vitamin-D-Mangel (unter 20 ng/ml) ausgeglichen werden muss. Dabei heißt es zu recht: Die schnellere Hilfe ist die bessere Hilfe. Das alles ist das Thema im Buch: "Gesund in sieben Tagen" von Dr. von Helden, erschienen 2011. Die Falldarstellungen in diesem Buch beziehen sich auf Kranke, die von der therapeutischen Dosis von Vitamin D selbst bei lang anhaltender Erkrankung eine schlagartige Besserung erlebten.
Das Thema der Diskussion:
Davon abzutrennen ist der Einsatz von Vitamin D um ein Fortschreiten einer Krankheit zu verhüten, die "sekundärpräventive" Gabe.
- Sollen auch die von Krankheit gezeichneten Patienten einer REHA-Klinik Vitamin D bekommen?
- Wird mit Vitamin D die angeschlagene Gesundheit stabilisiert?
- Kann durch einen hohen Spiegel von Vitamin D einem erneuten Rückfall vorgebeugt werden?
- Ist Vitamin D geeignet zur Sekundärprävention - zum Schutz für angeschlagen Patienten?
2) Contra Vitamin-D-Therapie: "Dr. No"
"Ich bin gegen die Vitamin-D-Gabe bei solchen Patienten, weil es zwar Korrelationen, aber keine Interventionsstudien gibt. Der Nutzen, den man bei guten Vitamin-D-Spiegeln sieht könnte auch zufällig verursacht sein. Beispielsweise weist ein guter Vitamin -D-Spiegel auf einen hohen Urlaubs und Freizeitanteil hin. Das allein kann die verbesserte Position der Vitamin-D-Gruppe begründen.
Obwohl PubMed-Datenbank- Recherchen tatsächlich Studien zeigen, die eine Korrelation von niedrigem Vitamin D mit erhöhtem Risiko für zahlreicher Krankheiten belegen, ist mir das zu wenig. Korrelation ist nicht identisch mit Kausalität. Wo wurde gezeigt, dass eine gezielte therapeutische Gabe von Vitamin D tatsächlich das kardiovaskuläre Risiko senkt?
Wir wissen es nicht und Vermutungen allein begründen keine Therapie. Wenn Krankheiten gleichtzeitig mit Laborveränderungen vorkommen, dann sollte man keine voreiligen Folgerungen daraus ziehen.
Auch wenn es sehr schade ist, dass bei fehlendem kommerziellen Interesse trotz klarer Hinweise die klärende Forschung ausbleibt, bleibt der "Nutzen des Vitamin D" gegen Herzinfarkt, Krebs und Adynamie nur eine unbestätigte Hypothese.
Aus einer Beobachtung jetzt schon ein zu Gesetz machen - das wäre voreilig. "
3) Pro Vitamin-D-Therapie: Dr. von Helden
"Ich bin nach jahrelanger Prüfung von der Kausalität des Nutzens überzeugt, weil der Wirkmechanismus bis hinunter in die genetische Steuerung der einzelnen Zelle wissenschaftlich entschlüsselt ist: der Vitamin-D-Rezeptor.
1)
Es stimmt, dass es derzeit noch keine doppelblinden Vitamin D-Therapie-Studien gibt, ( keyword: "RCT" = Randomized Controlled Trials), die belegen, dass sich durch Vitamin D die Rate der Herzinfarkte vermindert. Daher ist es einerseits legitim zu sagen: "es könnte alles nur Korrelation statt Kausalität sein". Andererseits ist es keineswegs mit dieser Bemerkung widerlegt. Können, wollen oder sollen wir auf diesen Zeitpunkt in ferner Zukunft weiter warten, weil wir dem Nutzen des Sonnenlichtes misstrauen?
- nach Total-OP der Schilddrüse kein Thyroxin (Schilddrüsenhormon) geben
- bei Morbus Addison kein Cortison geben
- nach Ovarektomie (Entfernung der Eierstöcke) keine Östrogen/ Gestagen geben
- nach Orchiektomie (Entfernung der Hoden) kein Testosteron geben
- messen
- rechnen
- überwachen
statt: bagatellisieren, pauschalieren ("800 E für alle") und wegsehen.
6)
Immer wenn ein Phänomen so allgegenwärtig ist wie die Gravitation, erfordert die Erkenntnis eine besondere Abstraktionsleistung. Ich denke, dass es das hohe Niveau unserer akademischen Diskussion belegt, dass wir auch an den Horizont unserer Erkenntnisgewinnung denken. Wir befassen uns mit unserem eigenen kritischen Bewusstsein und da wird es tatsächlich spannend:
Müssen wir die Gravitation als eigenständige Kraft ablehnen, weil sie überall nachweisbar ist?
Müssen wir die Sonne als einen die Erde umkreisenden Leuchtkörper ansehen, weil jederman die Bewegung der Sonne am Himmel nachprüfen kann?
- Dr. No: Wir müssen auf Vitamin D verzichten, weil die "kontrollierte Studie" fehlt!
- Dr. von Helden: Schon die tausendfach dokumentierten Fälle der kurzfristigen Besserung unter Vitamin D sprechen für eine Prävention mit der Vitamin-D-Therapie. Langzeiteffekte auch wenn es die Doppelblind-Studie derzeit noch nicht gibt.
- kleine Schritte in Verbindung mit
- kritischer Beobachtung der Auswirkungen.
- Der Zusammenhang von Contergan und Missbildung: Müssen wir die Beobachtungen von Hausärzten ablehnen, die vor einigen Jahrzehnten den Zusammenhang von Contergan und Missbildungen nach zahlreichen Beobachtungen behauptet haben? Sicher nicht!
- Der Zusammenhang zwischen Zigaretten-Rauchen und Lungenkrebs: Können wir den Zusammenhang von Zigaretteninhalation und Bronchialcarcinom ablehnen, weil es nie eine Doppelblind-Studie dazu gegeben hat? Sicher nicht!
- Der Zusammenhang von schlechten Wohnverhältnissen und Rachitis, dem kindlichen Vitamin-D-Mangel: Können wir den Zusammenhang ablehen, weil es nie eine Doppelblind-Studie dazu gegeben hat? Sicher nicht!
- Säuglings-Sterblichkeit von 1900 und die
- Krebssterblichkeit von 2000
4) ein aktueller Vitamin-D-Faktencheck:
Anticancer Res. 2012 Jan;32(1):223-36.
(Studien über den Zusammenhang von Vitamin D und Krebs)
Schlusswort "Pro & Contra"
Dr. med. von Helden:
Mein Fazit zur präventiven Vitamin-D-Gabe
Der Entzug von Vitamin D zeigt bei Mensch und Tier schlimmste Schäden. Diese Krankheit namens Rachitis ist durch den therapeutischen Einsatz des Vitamin D seit 1923 Zug um Zug verschwunden. Somit ist der geforderte Nachweis eines kausalen Nutzens des Vitamin D bereits vor 90 Jahren erbracht worden. Mit diesem globalen therapeutischen und prophylaktischen Einsatz von Vitamin D wurde das Zeitalter der Rachitis beendet. Dies ist ein erster Grund, einen Vitamin-D-Mangel nicht nachlässiger zu bekämpfen, als dies für andere Zustände des Vitaminmangels üblich ist. Die Messung des Vitamin-Blutspiegels ist der Standard der Diagnostik. Wie düster es bei unseren Kindern aussieht, finden Sie hier.
Für den Schutz vor Krebs durch hohe Spiegel von Vitamin D sprechen zahlreiche Studien. Die Hypothese, dass dies alles nur ein zufälliges Zusammentreffen ist mag rein theoretisch zulässig sein.
Der entschlüsselte Wirkmechanismus des Vitamin-D-Rezeptors spricht hier jedoch eine andere Sprache. Man muss die Vitamin-D-Skeptiker sogar umgekehrt fragen, wieso man bei fast allen anderen Steroidhormonen einen Einfluss auf das Krebsrisiko annimmt, beim Vitamin D hingegen noch Zweifel herrscht. Die Rezeptoren von Östrogen, Progesteron, Testosteron sind ein unerschöpfliches Thema für alle Krebsforscher und Onkologen. Und ausgerechnet der Gen-regulierende Vitamin-D-Rezeptor soll an der Zellregulation völlig unbeteiligt sein?
Es steht jedem Leser frei, ein Leben lang zu warten, bis in ferner Zukunft eine Vitamin-D-Doppelblind-Studie zur Prüfung des Krebsrisikos beendet ist. Müssen wir den Beweis abwarten, dass Menschen, denen man 10 Jahre lang die Sonne verwehrt (Arrestgruppe), kränker sind, als die mit einem dauerhaft hohen Vitamin-D-Spiegel (Naturgruppe)?
Das wird nur für diejenigen eine Überraschung sein, die sich mit der Biochemie des Vitamin D nie befasst haben.