Frau Odal blickte matt aus ihren dunklen Augen. Ich hatte sie zuletzt vor 6 Jahren gesehen. In der Zwischenzeit hatte sich nichts an ihren anhaltenden Kreislaufbeschwerden gebessert. Deshalb saß sie den ganzen Tag in ihrer Wohnung. Weil sie zudem unter plötzlich auftretenden Panikattacken litt, konnte sie nicht mehr allein bleiben.
Ich erinnerte mich, dass ich damals in meinen hausärztlichen Bemühungen keine Erfolge gehabt hatte. Der Blutdruck war stets niedrig, unter 100 oft nur 80 /60 mm HG, so dass es nicht verwunderlich war, dass sie nicht belastbar war. Damals fand ich keine Ursache, Laboruntersuchungen, EKG, Sonografie, Ales war ohne Ergebnis. Die Anwendung von Kreislauftropfen hatte nur minimale Effekte, auch die Geb von Cortison war ohne Erfolg. So kritisierte ich mangels besserer Ideen den Zigarettenkonsum und die passive Lebensweise vor dem Fernseher. Heute denke ich selbstkritisch über diesen Ansatz. Wie kann eine Frau bei diesem Blutdruck mit dem Joggen anfangen? Wie kann jemand der zigarettensüchtig ist und von Ängsten ohne Grand geplagt wird, mit dem Rauchen aufhören? So machte ich das, was Ärzte gerne machen, wenn die erlernten Ansätze nicht zum Erfolg führen - ich stellte der Patientin meinerseits eine unlösbare Aufgabe.
Eine Kette von Zufällen hatte Frau Odal wieder zu mir geführt. Sie benötigte ein ärztliches Attest für das Arbeitsamt, das ihr de Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Am dauerhaften Aufenthalt in der Wohnung, dazu der Zigarettenkonsum waren ausreichend, um einen Vitamin D-Mangel zu erkennen.
Nach dem Vitamin-D-Setup kam die Patientin mit deutlich gestraffter Körperhaltung 5 Tage später zu mir in die Sprechstunde. Die Müdigkeit war verschwunden, ebenso die Kopfschmerzen. Sie hatte keine einzige Angstattacke mehr gehabt. Die Patientin war nach jahrelangem Leiden durch die richtige Diagnose und Therapie im Apothekenwert von wenigen Euro von Ihrem Elend erlöst.
 

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